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Was bedeutet eigentlich... Konstruktivismus?

Konstruktivismus, Systemtheorie als Erkenntnistheorie für systemische Arbeit, Selbstorganisation des Nervensystems in der Biologie

Was bedeutet eigentlich… Konstruktivismus?
Während der 60er-70er Jahre erfolgte die Entwicklung der konstruktivistischen Denkweise. Daran waren im wesentlichen Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster, Paul Watzlawick, Humberto Maturana und Francesco Varela als Vordenker beteiligt. Über die biologischen Wurzeln des Konstruktivismus schreiben die Autoren Varela und Maturana in ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis“. Dieses Buch über die biologischen Wurzeln von Erkenntnis, über die Selbstorganisation des Gehirns und über den Ablauf von Lernen stand 1997 auf der Literaturliste meiner Feldenkrais-Ausbildung, zusammen mit „Descartes Irrtum“ von A. Damasio.

Beide Bücher haben mein gesamtes Weltbild verändert und bilden eine wesentliche Grundlage meiner gesamten Denk- und Arbeitsweise. Denn auch bei Feldenkrais geht es um die individuelle subjektive „Konstruktion“ als Arbeitsweise unseres Gehirns, konkret um die Konstruktion unserer grundlegenden Bewegungsmuster und Haltungsgewohnheiten….

 

Aber zurück zum Baum der Erkenntnis, Maturana und Varela machen darin die biologischen Grundlagen des Erkennens zum Untersuchungsgegenstand. Die Autoren zeigen, dass jede Erfahrung und jedes Erkennen ein Tun ist, das in unauflöslicher Weise mit unserer Struktur verknüpft und durch diese bestimmt ist: „Wir sehen nicht den Raum der Welt, sondern wir erleben unser visuelles Feld, wir sehen nicht die Farben der Welt, sondern unseren chromatischen Raum. (…) Die Erfahrung von jedem Ding „Da draußen“ wird auf eine spezifische Weise durch die menschliche Struktur konfiguriert, die „das Ding“, das in der sprachlichen Beschreibung entsteht, erst möglich macht. Diese Zirkularität, diese Verkettung von Handlung und Erfahrung zeigt uns, dass jeder Akt des Erkennens eine Welt hervorbringt. Tun ist Erkennen und jedes Erkennen ist Tun“ (Maturana & Varela 1987, S. 28).

 

Diese Auffassungen begründeten den Konstruktivismus, wonach Wirklichkeit nicht an sich existiert sondern von uns selbst konstruiert (hervorgebracht) wird durch den Akt des Erkennens. In unserem ganzen sozialen Sein konstruieren wir unaufhörlich unsere eigene Welt mit dem Hervorbringen von Begriffen. Das Phänomen des Erkennens ist überall gleich, durch die biologische Struktur vorgegeben, es ergibt sich aus Handeln und erzeugt „das Ding“, „die Welt“, „die Farbe“, über die sich dann ausgetauscht wird und Realitätsbegriffe erzeugt werden (vgl. Maturana & Varela, S. 28).

 

Die Grundlagen für diese Überlegungen stammten ebenfalls aus den Erkenntnissen der Biologie, wonach alle Sinneswahrnehmungen auf dem Weg ins Gehirn die gleiche Qualität haben (Schwingungen unterschiedlicher Stärke, deren Amplitude und Frequenz universal kodiert und von Neuronen übertragen werden). Eine Unterscheidung der sehr verschieden erlebten Reize erfolgt im Gehirn und somit, im Sinne von Erkenntnis, innerhalb unserer subjektiven Erfahrungswelt. Als Beispiel für diese Subjektivität seien die bekannten optischen Täuschungen genannt. Dieses Wissen veranlasste die Abkehr von der Idee, Informationen könnten gesendet, also von A nach B transportiert oder aus der äußeren Welt empfangen werden.


Zitiert aus:
Karnahl, U. (2012): Feldenkrais meets Systemisches. Ein methodisch-didaktischer Vergleich von Feldenkrais-Pädagogik und systemischer Arbeitsweise. Akademikerverlag 

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