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Entwicklungsbegleitung-2


Entwicklungsbegleitung fürBbabys und Eltern bei Regulationsstörungen, Interaktionsstörungen, Entwicklungsverzögerungen für Lernen

Ich werde anhand eines Fallbeispiels einen typischen Beratungsverlauf beschreiben.

Fallbeispiel

Frau F., kam zum ersten Termin mit ihrer 2 Monate alten Tochter Christina. Sie hatte sich telefonisch angemeldet, weil ihr Baby 8 Wochen zu früh geboren wurde. Es war eine kurze, aber sehr anstrengende Geburt, davon hatte das Baby vorübergehend noch einen asymmetrischen Kopf. Es schreit viel, trinkt unruhig und hat dann Koliken. Die Mutter war sehr in Sorge, was sie zu tun habe, was sie evtl. falsch macht.

Frau F. kam zum Termin, ihr Kind schlief noch in der Kinderwagentragetasche, so dass ich Gelegenheit hatte, sie in Ruhe zu begrüßen. Sie war sehr aufgeregt, wollte sofort Baby auspacken, mir zeigen, ich solle etwas tun. Ich habe sie gebeten, dass zunächst wir uns kurz kennenlernen und dem Baby Zeit geben, möglichst von allein wach zu werden. Sie hatte wenig Vertrauen in sich und klagte, dass sie sich als Mutter nicht genügend fühle, weil sie nicht wisse, wie sie ihr Kind beruhigen solle, wenn es weint. Neben einer Klärung ihres Auftrages an mich, holte ich ihre Erlaubnis ein, dass ich ihr Baby anfassen und bewegen dürfe und dass ggf. dann auch sie die Bewegungen und Berührungen ausprobieren würde. Mein zentrales Anliegen in dieser Situation war, der Mutter verbal, insbesondere aber nonverbal Sicherheit und Vertrauen zu signalisieren. Insbesondere über meine Stimme, Tonfall, Augen und Haltung, verbunden mit meinem ruhigen Tonus überträgt sich die Atmosphäre der Entspannung auf die Mutter. Für mich wurde es spürbar und beobachtbar durch tiefes Aufatmen, eine entspanntere Sitzhaltung, langsameres Sprechtempo, ruhigere Gestik, längeren Blickkontakt.

Ich nutze hier mein praktisches Wissen aus der Baby-Feldenkrais-Ausbildung um die affektive Abstimmung zwischen Mutter und Baby, aber auch zwischen Beraterin und Klientin. Ich nutze es auch für den Umgang mit der Mutter, da diese Mechanismen auch unter Erwachsenen gleichermaßen wirksam sind. Diese Fähigkeit zur Affektabstimmung ist ebenso eine ganz wesentliche elterliche Aufgabe. Ergänzend bespreche ich mit den Eltern ihre eigenen Regulationserfahrungen, ihren Umgang mit Spannungen, aber auch ihre Gewohnheiten im Kontakt, zum Aufrechterhalten oder Beenden von Kontakt.

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währenddessen ist Baby langsam wach geworden, die Mutter wendet sich ihm zu und will es mir schnell geben. Ich bitte sie, ihm Zeit zum Ankommen im neuen Raum zu geben, ihre Aufmerksamkeit zunächst beim Baby zu behalten. Ich spüre, dass das für sie ungewohnt ist, immer wieder gleitet ihre Aufmerksamkeit weg vom Baby zu mir, indem sie mir ihre Situation zu erklären versucht. Dabei wird ihre Sprechweise wieder hektischer und aufgeregter, Stimme angestrengt, laut , ihre Bewegungen sehr schnell, sehr unverhofft, ruckartiger, schneller, mit hoher eigene Muskelspannung, ihre Atmung deutlich schneller und unregelmäßiger, ihr Blick wendet sich vom Baby ab zu mir, der Blickkontakt dazwischen mit dem Baby ist unstet. Daraufhin wurde das Baby unruhiger und begann schließlich zu weinen. Dann kam es zu einem ruckartigen Aufnehmen und wieder ablegen. Das erschreckte alles das Baby immer wieder, dadurch steigerte sich Unruhe und Weinen. Es erfolgte keine Reaktion ihrerseits auf die Anzeichen von Überforderung und Reizüberflutung des Babys. Sie gibt verbal und mit schnelleren Bewegungen immer mehr Input und immer schneller, je verzweifelter sie merkt, dass sie ihr Kind nicht beruhigen kann. Ihr Stress als Mutter ist handgreiflich im Raum spürbar. Dazwischen gibt es kurzen Blickkontakt zu mir, da sie eine Bewertung meinerseits erwartet und sagt selbst sie kriegt es eben nicht hin. Das alles spielt sich in kürzester Zeit ab, stellt aber einen Ausschnitt einer typischen Mutter-Kind-Interaktion dar.

Was diese Mutter braucht, sind Handlungsalternativen zunächst in sich selbst, nämlich den eigenen Zustand und die eigene Affektregulation bewusst spüren zu können und dessen Auswirkungen auf ihr Baby wahrzunehmen.

An dieser Stelle beginne ich Kontakt zum Baby aufzunehmen, während sie es auf dem Schoß hält, sie soll nicht mehr versuchen, es hinzulegen. Mit Worten, Berührungen und sanften langsamen Bewegungen am Bein nehme ich den Dialog mit dem Baby auf. Es ist sehr überstreckt im Brustkorb, mit sehr gebeugt angezogenen Armen und Beinen, einer hohen Muskelspannung, hat eine unruhige Atmung und vermeidet jeden Blickkontakt. Das respektiere ich, indem ich am entferntesten Körperteil Kontakt aufnehme, das Bein leicht bewege, leicht kreisend, immer anhaltend, wenn ich muskuläre Gegenbewegungen spüre. Dann warte ich, bis es wieder locker lässt und gebe abermals eine Idee von Kontakt. Alles das begleite ich mit Worten an das Baby. Allmählich entsteht Neugier, entsteht Bewegung und Bewegungsantwort von ihm auf meine nonverbalen „Kontaktanfragen“, gelegentlich hört das Weinen auf und ein neugieriger Blick wendet sich mir zu. Aber ich muss extrem langsam sein und Tempo und Kontaktaufnahme des Babys respektieren. Ich spreche mit ihm auch sehr langsam, mit vielen Pausen, indem ich ihm (und damit gleichzeitig der Mutter) meine Handlungen erkläre, das Wechselspiel der Bewegungen dem Kind verbal begleite, seine Blickkontakte vorsichtig, freundlich, zugewandt erwidere, die Steuerung des Kontaktes bezüglich Dauer, Intensität etc. aber ihm überlasse. Ich lenke immer wieder die Aufmerksamkeit des Babys auf den Kontakt durch die Bewegung am Bein, so dass das Weinen allmählich nachlässt, die Atmung sich beruhigt und zunehmend Neugier sich im Gesicht spiegelt. Langsam vertieft sich die Atmung und sinkt der Tonus der Muskulatur. Nach einiger Zeit erlaubt es mir auch die Kontaktaufnahme durch Berührung am Brustkorb, so dass ich ganz langsame Bewegungen mit den Rippen machen kann und auch hier sich die Aufmerksamkeit des Kindes dorthin lenkt und es aktiv allmählich die Muskelspannung im Brustkorb spüren und senken kann. Damit löst sich die angstbedingte Überstreckung im Brustkorb langsam auf. Meine gesamte Interaktion stellt ganz klar das Baby mit seinem Eigenrhythmus in den Mittelpunkt des Geschehens. Ich kommuniziere mit dem Kind und nicht mit der Mutter über das Baby. Dennoch erhält die Mutter ganz viele Informationen über sich, ihr Baby und mich, einerseits durch die Wahrnehmung dessen, was ich tue, andererseits, weil ich im Gespräch mit dem Baby mein Tun reflektiere und sie nach Unterschieden und Veränderungen beim Baby frage. Parallel dazu frage ich die Mutter fortlaufend nach Veränderungen in ihrem eigenen körperlichen Befinden, in ihrem Erleben und Fühlen, so dass ihr ihre eigenen Veränderungen bewusst werden.

Nach einiger Zeit die spüre ich die Ermüdung des Babys, das seine Aufmerksamkeit noch nicht sehr lange so konzentriert halten kann, lege daher mehr und mehr Pausen ein, bis es im Arm der Mutter einschläft. Jetzt ist Gelegenheit zur Arbeit mit der Mutter, zur Reflexion des Erlebten. Außerdem kann ich Bewegungen, die ich mit dem Baby gemacht habe, mit der Mutter gleichfalls zu tun, damit sie Qualität und Zweck der Bewegungen selbst spüren kann. Damit kann sie die Unterschiede im Tempo, in der Berührungsqualität und das Dialogprinzip wahrnehmen und die Kommunikation von einer Manipulation unterscheiden. Bereits im Vorfeld, während meiner Kommunikation mit dem Baby hat sich die Ruhe meiner Arbeit und Sprechweise auf die Mutter übertragen und sich ihr Stress, ihr Tempo und ihre Atmung verlangsamt. Noch deutlicher wird das während ich ihren Arm auf die Weise bewege, wie vorher das Bein des Babys, während ich sie verbal und nonverbal einlade, die Unterschiede und Veränderungen wahrzunehmen, die sich entwickeln. Durch die Fragen nach den Unterschieden und Veränderungen lenkt sie ihre Aufmerksamkeit auf die Alternativen in der Interaktion. Gleichzeitig lade ich sie verbal zum Perspektivwechsel ein, so dass sie sich mehr in die Situation des Kindes und seine Bedürfnisse hinein zu versetzen lernt. Damit kann sie immer wieder auf die körperliche Erfahrung zurückgreifen, die sie selbst gemacht hat und die sie beim Baby beobachtet hat. Am Ende der Sitzung lade ich sie ein selbst durch Bewegungen mit dem Kind nonverbal zu kommunizieren und nach anfänglicher Scheu, ob sie denn das auch könne, gelingt ihr eine für beide Seiten, Mutter und Baby sehr befriedigende und beglückende Erfahrung. Am Ende der Sitzung agiert sie anders, während sie das Baby hinlegt, anzieht und in die Tragetasche legt: ruhiger, viel sanfter, aber auch gelassener, kurz pausierend beim Anziehen, damit das Baby nicht erschreckt.

Durch die Nutzung nonverbaler, körperorientierter Sequenzen aus der somatopsychischen Feldenkrais-Pädagogik gelang der Mutter in einer einzigen Sitzung bereits ihr Interaktionsmuster sehr zu verändern und deutliche Unterschiede in der Art der Beziehungsgestaltung herzustellen. Die Mutter hat sich entspannen und als kompetent und selbstwirksam erfahren können, was ihr bei nur verbaler kognitiver Reflexion nicht so schnell und so klar gelungen wäre. Entscheidend wirksam ist das Herstellen von Bewusstheit und Aufmerksamkeit für die Körperempfindungen (somatischen markern) von unbewusster Anspannung. Im inneren Dialog mit dieser Wahrnehmung kann sie ihr Verhalten stimmig anpassen, was sich sofort auf das Baby überträgt.

Dass solche Situationen häufiger geschehen, als wir vielleicht denken, weiß ich aus meiner langjährigen Beratung. Dabei erlebe ich solche gegenseitigen Regulationsprobleme häufig. Manche Eltern nehmen keinen ruhigen Blickkontakt auf, sprechen viel zu schnell – sind sich ihrer eigenen Erregung gar nicht bewusst oder bieten viel zu schnell zu viel neue Reize an. Hier finden sich einige Probleme der jetzigen Zeit: Reizüberflutung, Beschleunigung, soziale Vereinzelung, Körperentfremdung.

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